Unsere Vorschläge zur Bewältigung der Auswirkungen der Coronakrise und zur Sicherung einer langfristigen Finanzierung
Aktuelle Situation Der Tourismussektor wurde von der Coronapandemie besonders hart getroffen. Aufgrund von Grenzkontrollen, Einschränkungen von Aktivitäten und Reisewarnungen kam der Tourismus Mitte März 2020 völlig zum Erliegen und zieht derzeit nur langsam wieder an. Einkommensverluste in gewaltigem Ausmaß stellen die Akteure der Tourismusbranche vor existenzielle Herausforderungen. Allein der Tourismus in Deutschland erlitt in den Monaten März bis Mai Einnahmeverluste in Milliardenhöhe. Auch wenn sich eine sektorale Erholung abzeichnet, sind viele Bereiche der Tourismusbranche nachhaltig und längerfristig betroffen. Es sind erhebliche Marktveränderungen zu befürchten, die zu weiteren Arbeitsplatzverlusten, zu einer Verringerung der Angebotsvielfalt im Tourismus und zu einer dauerhaften Schwächung der Wirtschaftskraft des europäischen Binnenmarktes führen würden. Jüngsten Studien zufolge wird erwartet, dass das Wachstum des europäischen Tourismus bis 2023 unter dem Niveau von 2019 bleiben wird. Nach wie vor herrscht Ungewissheit, und die Dauer der Pandemieeinschränkungen wird für die Bestimmung der Verluste in diesem Sektor ausschlaggebend sein.
Bedeutung der Tourismuswirtschaft in Deutschland und Europa
Der Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftszweig in Europa, der für rund 12 Mio. Arbeitsplätze sorgt und mit 3,9 % zum Bruttoinlandsprodukt der EU beiträgt. Allein in Deutschland trägt der Tourismus mit 3 Mio. Arbeitsplätzen, einer jährlichen Bruttowertschöpfung von mehr als 100 Mrd. Euro und einem Gesamtkonsum von jährlich fast 300 Mrd. Euro bislang entscheidend zur Wirtschaftskraft und guten Lebensverhältnissen bei. Dies gilt es zu stabilisieren und – wo notwendig – wieder aufzubauen. Gerade der Tourismus kann zum Wiedererstarken der europäischen Wirtschaft nach der Krise entscheidend beitragen, denn gerade im Tourismus können schnell niedrigschwellige Jobs geschaffen werden.
Erwartungen an die europäischen Institutionen
Die Entscheidungsträger in der Europäischen Union sind im Rahmen ihrer Beratungen zur Errichtung eines Erholungsfonds für die am stärksten betroffenen Sektoren und zu den anstehenden Entscheidungen zur Ausgestaltung des künftigen mehrjährigen Finanzrahmens 2021–2027 aufgerufen …
1) … einen Sonderfonds Tourismus aufzulegen, der zu einhundert Prozent aus europäischen Mitteln finanziert wird, der nationale Nothilfeprogramme flankieren und zu hundert Prozent aus europäischen Mitteln finanziert werden soll. Der Fonds soll insbesondere für folgende Zwecke eingesetzt werden:
• Nicht rückzahlbare Zuschüsse für Unternehmen zur Kompensation von coronabedingten Verlusten, damit Arbeitsplätze erhalten oder erneut geschaffen, laufende Kredite bedient oder Betriebskosten wie Mieten finanziert werden können.
• Nicht rückzahlbare Zuschüsse für regionale Marketingorganisationen, um coronabedingte Einbußen und/ oder die Reduzierung von staatlichen Zuschüssen auf regionaler Ebene zu kompensieren und ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten.
• Programme zur Finanzierung von Investitionen in nachhaltigen Tourismus, zum Beispiel durch die Übernahme von Zertifizierungskosten
• Programme zur Finanzierung von Investitionen in die Digitalisierung im Tourismus, die auch für kommunale Unternehmen wie Touristeninformationen zugänglich sein sollten.
2) … ein eigenes Tourismusbudget im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU zur Finanzierung von Investitionen und Marktanreizen zu verankern. Zu diesem Zweck sollten zusätzlich zu den bestehenden europäischen Strukturfonds Förderinstrumente explizit dem Tourismus zugewiesen werden. Dies würde die Bedeutung des Tourismus für die Wertschöpfung und Wirtschaftskraft in ländlichen Regionen und Städten unterstreichen und noch gezieltere touristische Entwicklungsmaßnahmen in den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit und intelligentes Wachstum ermöglichen. Besonderes Augenmerk sol- lte auch auf die notwendige Basis- infrastruktur als Grundlage für eine zukunftsorientierte Regionalentwicklung gelegt werden.
3) … im Rahmen der laufenden interinstitutionellen Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag zum Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Kohäsionsfonds die Vorschläge der Kommission zu befürworten, in Schwierigkeiten geratene Unternehmen zu unterstützen, den Tourismus als explizites politisches Ziel aufzunehmen und Nachrichten mehr Flexibilität zu gewährleisten, indem die Indikatoren in Bezug auf den Tourismus angepasst werden. Dies würde eine Erweiterung des Spielraums für die Finanzierung des Tourismus ermöglichen.
4. … im Rahmen der laufenden interinstitutionellen Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und den Kohäsionsfonds:
• für eine Beibehaltung der bisherigen EU-Kofinanzierungssätze in Höhe von 85 % in Übergangsregionen und 50 % in stärker entwickelten Regionen einzutreten, um den Folgen der Coronakrise durch gezielte und nachhaltige Investitionen entgegenzuwirken.
• sich für eine deutliche Vereinfachung der Programme und des Verwaltungs- und Kontrollsystems der EU-Strukturfonds einzusetzen. Gemäß einer Studie im Auftrag der Europäischen Kommission stellt die Komplexität der gegenwärtigen Verfahren sowohl für die Begünstigten als auch für die Behörden eine erhebliche Belastung dar und behindert damit die Beantragung und Zuteilung von Mitteln.
5. … eine Verlängerung des befristeten Rahmens zu befürworten, um den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, die in den Vorschriften über staatliche Beihilfen vorgesehene volle Flexibilität zur Unterstützung der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 zu nutzen (Anwendung von Art. 107 (2)).
6. … für eine Einbeziehung der Finanzierung von Tourismusorganisationen in den Anwendungsbereich der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung einzutreten, um
Rechtssicherheit zu gewährleisten und dazu beizutragen, die negativen Auswirkungen der gegenwärtigen Krise abzuschwächen.
7. … sich für die Schaffung eines EU-Sonderprogramms für den Städtetourismus und der Förderung der Beziehungen zwischen Stadt und Land einzusetzen, um der besonderen Situation der städtischen Gebiete Rechnung zu tragen.
8. … weiterhin für einheitliche Regeln für den Umgang mit pandemiebezogenen Vorschriften einzutreten, um Planungs- und Rechtssicherheit für Tourismusakteure und Reisende zu gewährleisten. Nach unserer Auffassung sind Regelungen auf der Ebene der von Coronaausbrüchen betroffenen Regionen den Reisebeschränkungen vorzuziehen.