Foto: AdobeStock 238058405
CWH: Gibt es noch viel Erklärungsbedarf, wenn Betreiber ihre Plätze klimafreundlich umrüsten möchten?
WP: Ich denke, dass ganz vielen Campingunternehmern die Basis, als oder Grundgedanke, schon klar ist. Wenn es allerdings ins Details geht, zum Beispiel, welche Heizung man kaufen soll, tauchen Fragen auf, fehlen natürlich hin und wieder Informationen. Was passt zum Platz, was nicht? Was ergibt Sinn, was keinen? Wir helfen dann weiter, können beraten und Unternehmer Schritt für Schritt bis zur endgültigen Entscheidung begleiten. Es ist ja auch logisch, dass ein Campingplatzbetreiber nicht in allen Dingen ein Experte sein kann. Bei der Vielzahl an Aufgaben, die er jeden Tag zu bewältigen hat, müsste er im Grunde 20 Handwerksberufe können und betriebswirtschaftlich fit sein. Das ist teilweise schon eine unglaubliche Leistung, Hut ab, das möchte ich hier einmal deutlich sagen.
CWH: Viele Campingplätze sind ja bereits Vorzeigeobjekte. Andere denken gerade um, haben Pläne und wollen investieren. Aber stagnieren solche Vorhaben gerade, weil Corona den Umwelt- und Klimaschutz in den Hintergrund gedrängt hat?
WP: Wir können messen, wie viele klassische Anfragen wir 2020 zu Umweltthemen im Verhältnis zu den Vorjahren hatten. Es ist in der Tat etwas zurückgegangen. Es waren weniger Anfragen zu Solarenergienutzung oder Heizungserneuerung. Es wäre eine Möglichkeit zu sagen, dass gerade niemand etwas braucht, aber es sieht eher danach aus, dass alle derart mit der Krisenbewältigung beschäftigt waren und somit andere Dinge aufgeschoben haben. Jetzt merken wir aber gerade, dass die Unternehmer seit dem Winterihren Laden wieder richtig auf Vordermann bringen und neue Investitionen tätigen. Besonders neue Heizungs- und Solartechniken sollen installiert werden. Die Portokasse jener, die letztes Jahrtrotz Corona eine gute Saison hatten, ist gefüllt. Sicher, es gibt auch Unternehmer, die gelitten haben und größere Investitionen erst mal in die Schubladeverschieben müssen.
CWH: Die Kurve geht also in Sachen umweltbewusstes Denken in der Branche weiter nach oben oder hat Corona da gebremst?
WP: Auf jeden Fall. Umwelt- und Klimaschutz stehen bei vielen ganz oben auf der Liste. Vielleicht hat Corona das sogar teilweise unterstützt und gepusht. Die Platzbetreiber hatten gemerkt, dass sie gut organisiert sein müssen. Die letzte Saison war ja nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine Managementkrise für viele Unternehmer. Ein massiver Stressfaktor, der natürlich mit einem guten und organisierten Management besser gehändelt werden konnte. Auch ein gutes Umweltmanagement gehörte da dazu – dann ist so ein „Unwetter“ leichter zu überstehen. Ich denke auch, dass die Unternehmer klar erkannt haben, dass es künftig keine finanziellen Unterstützungen mehr geben wird, weil Campingplätze coronasicher sind, sondern wenn sie sich z.B. um Klima- und Insektenschutz und um regionale Wertschöpfung kümmern. Das sind die Wirtschaftsförderungsinstrumente der nächsten zehn bis 15 Jahre.
Wolfgang Pfrommer, ECOCAMPING
CWH: Punkto Fördermittel, dieses Thema ist doch sicher für einige ein undurchsichtiger Urwald.
WP: Unsere ECOCAMPING-Berater kennen sich selbstverständlich mit Förderprogrammen aus, es ist aber sicherlich ein sehr komplexe Sache. Es gibt Förderungen auf Gemeinde-, auf Landes-, Bundes- und auf EU-Ebene. Wenn man ein Projekt plant, lohnt es sich natürlich, Fördermittel abzuklopfen. Wichtig dabei ist es aber, erst mal zu schauen, was brauchen meine Gäste, was braucht mein Unternehmen und erst dann nach Fördermitteln zu schauen. Es wäre falsch zu sagen, ach, es gibt gerade Fördermittel für Batteriespeicher von Photovoltaikanlagen, dann lasse ich mir eben diesen fördern. Letztendlich steht die Batterie dann aber im Keller, weil sie kein Mensch braucht, der Betreiber hat aber 50 % bis 70 % selbst davon bezahlt. Natürlich kann es vorkommen, dass selbst die beste Planung an den ein oder anderen Punkt angepasst werden muss. Wir unterstützen dabei, den unternehmerischen Wunschzettel sinnvoll durchzusprechen und eventuell auch anzupassen. Ein Beispiel: Ein Platzbetreiber plant eine E-Ladestation. Wir können sagen, dass es im Frühjahr 2021 genau dafür ein Förderprogramm für kleine und mittlere Unternehmengeben wird. Es macht also Sinn, die Ladestation zwar zu planen, aber abzuwarten, bis das Förderprogramm aktiv ist.
CWH: Wie sieht es generell mit Ladestationen auf Campingplätzen aus?
WP: Das ist ein großes Thema in der Branche, jedoch noch mit vielen Fragezeichen behaftet. Es ist noch ungewiss, wie sich der Fahrzeugmarkt entwickeln wird. Gibt es in absehbarer Zeit Hybridwohnmobile (von Dethleffs gibt es bereits den Plug-in-Hybrid)? Kann man mit einem E-Auto einen Wohnwagen ziehen? Sicher, es gibt bereits ein paar Modelle, die eine Anhängerkupplung haben, aber da muss man mal eben80.000 bis 100.000 Euro hinblättern. Der Markt ist sehr dynamisch und wird sich sicher schnell weiter entwickeln. Eine ganz andere Sache sind die Stromleitungen auf so manchen Plätzen, sie stammen häufig noch aus den 70er-Jahren. Wenn irgendwann zum Beispiel Dauercamper mit ihren E-Autos kommen und diese an ihrer Standsteckdose am Platz betanken, könnte so manche Leitung zu glühen beginnen. So sind die Platzbetreiber erst einmal gefragt, ihre Infrastruktur auszubauen und sie fit für die Zukunft zu machen, Photovoltaik oder Blockkraftwerke zu bauen, um autark und unabhängig vom sehr dynamischen Strommarkt zu sein und auch, um fehlende Kapazitäten aufzupeppen.
CWH: Bleiben wir kurz bei der E-Mobilität. Ich provoziere jetzt einfach mal und sage: E-Mobilität ist ja gut und schön, wenn man die Emissionen betrachtet. Aber wo bleibt da die Ökologie? Herstellung, Plastik, Batterierohstoffe, die Entsorgung – da mache ich mir so meine Gedanken. Sehen das Betreiber auch so?
WP: Das sind in der Tat offenkundige Fragen. Natürlich, wir haben dann emissionsfreie Städte, es stinkt nicht mehr. Aber ja, es ist ein bisschen wie das Sankt-Florian-Prinzip (die Sankt-Florian-Politik bezeichnet Verhaltensweisen, die potenzielle Bedrohungen oder Gefahrenlagen nicht lösen, sondern auf andere abschieben, ganz nach dem Motto „Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd and’re an!“). Dennoch beziehen wir heute über 50% unseres Stroms aus ökologischer Herkunft, aus Wind-, Solar- und Wasserkraft. Das alles entwickelt sich sehr rasant weiter. Vor zwei Jahren waren wir noch bei 40%,bis zum Jahr 2030 werden es wohl 65 % sein. Das war auch die Vorgabe und das Ziel der Bundesregierung. Die Transformation des Stromsektors entwickelt sich rasant weiter, wenn dies nicht durch die Politik behindert wird. Selbst große Industrieunternehmen haben inzwischen erkannt, dass es so nicht weitergehen kann, dass die Wirtschaftsstruktur umgebaut und ökologisch gestaltet werden muss. Da ist die Tourismusindustrie ganz vorne mit dabei. Diese ist sehr unterschiedlich aufgestellt. Kleinere Unternehmen können sehr viel einfacher agieren, umsteuern. Sie sind wesentlich flexibler als zum Beispiel Lufthansa. Sie wird Schwierigkeiten haben, in den kommenden Jahren auf erneuerbare Energien umzustellen. Oder auch die Kreuzfahrtindustrie, die gerade versucht, sich mit Flüssiggas grün zu waschen. Ich denke schon, dass diese Bereiche zurückgehen werden. Ich bin aber auch ganz ehrlich, denn der Kurs, den die Politik gerade fährt, ist unschön. Einerseits tun sie sich schwer damit, dem Pflegepersonal1.500 Euro Coronabonus zu zahlen, weil irgendwelche Formalien fehlen, gleichzeitig bekommen TUI und Lufthansa Milliarden an Subventionen
CWH: Woran liegt es, dass die Campingbranche in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit der Hotelbranche so weit voraus ist?
WP: Natürlich gibt es auch Hotels, die ökologisch arbeiten, aber im Durchschnitt ist die Hotelbranche eben deutlich klimaschädlicher als Campingplätze. Das begründet sich damit, dass Hotels auch im Winterhalbjahrheizen müssen, viele Gäste haben und somit zum Beispiel der Verbrauch an Warmwasser hoch ist. Die Diskrepanz zwischen Camping- und Hoteltourismus spiegelt sich auch im EU-Ecolabel wieder.
CWH: Seit Oktober 2018 gilt ja die neue EU-Ecolabel-Richtlinie für Beherbergungsbetriebe und Campingplätze. An der Novellierung und Ausgestaltung dieser Richtlinie hat ECOCAMPING ja intensiv mitgewirkt.
WP: Ja, das haben wir. Interessant ist, dass bisher nur Campingplätze mit diesem Europäischen Umweltzeichen und internationalen Gütesiegel ausgezeichnet wurden, aber noch kein einziges Hotel.
CWH: Wie weit klafft die CO2-Bilanzauseinander, wenn man Campingplätze und Hotels vergleicht?
WP: Das ifo-Institut hat die aktuellsten Zahlen der Emissionswerte publiziert. Hotels liegen bei ca. 17 kg im Durchschnitt (pro Nacht und Gast). Campingbetriebe liegen bei ca. 4 kg. Ehrlichgesagt ist es natürlich schwer, das vergleichbar zu machen. Das ist quasi so, als würde man Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Beides ist Kernobst und doch verschieden. Wir bei ECOCAMPING liegen bei 2 kg – das ist im Vergleich zur Hotellerie sehr viel weniger. Es gibt auch bereits Campingbetriebe, die ihre Emissionswerte auf null gefahren haben.
CWH: Kommen wir doch vom Klima zum Naturschutz. Wie sieht es da aus?
WP: Oh ja, das Thema Plastik und die Weltmeere! Corona hat die Menge an Verpackungsmüll noch einmal sehr gesteigert. Das ist vielleicht auch der Grund, warum die EU eine neue Gesetzgebung beschleunigt hat. Ab 2023 sind Einwegverpackungen und Einweggeschirr verboten. Platzbetreiberwerden sich umstellen und kreativ werden müssen, denn Currywurst und Pommes sind nun mal Klassiker auf Campingplätzen. Auch Sanitärzusätze sind Thema und eine massive Beeinträchtigung für die Umweltqualität. Wir müssen weg von umweltbelastenden, hin zu ökologisch verträglichen Stoffen. Das ist ein Schwerpunkt bei uns, wir sind hierzu auch im Gespräch mit dem Blauem Engel, dem Umweltzeichen für besonders umweltschonende Produkte und Dienstleistungen. Es gibt bereits gute mikrobiologische und auch kläranlagenverträgliche chemische Mittel. Es geht darum, die Gewässerreinzuhalten und Kläranlagen zu entlasten. Leider haben sich die Hersteller bisher wenig darum gekümmert. Wer sich dafür interessiert, kann auf unserer Website mehr dazu erfahren – auch zum Thema biologische/chemiefreie Unkrautbekämpfung.
CWH: Herr Pfommer, noch eine kleine Abschlussfrage. Gibt es neue Projekte bei ECOCAMPING?
WP: Wir haben gerade etwas Tolles zum Laufen gebracht. Es nennt sich Voluntourismus. Bei diesem Projektengagieren sich Gäste während ihres Campingurlaubs für den Naturschutz, gehen zum Beispiel mit einem Rangerin den Nationalpark, pflanzen Bäume, bringen sich aktiv ein.
CWH: Das klingt spannend, darüber werden wir sicher in einer unserer nächsten Ausgaben berichten. Ganzherzlichen Dank, Herr Pfrommer, für Ihre Zeit und das wirklich interessante Gespräch! • (KW)
Mehr Infos unter: www.ecocamping.de
Foto: ECOCAMPING