Im Gespräch mit Dr. Gunter Riechey, Präsident des Campingverbandes BVCD
CWH: Zuerst einmal herzlichen Dank, Herr Dr. Riechey, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Es tut sich ja viel in der Branche. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung?
GR: Es ist schon erstaunlich, dass wir über viele Jahre permanente Zuwächse zu verzeichnen haben. Wir sehen bereits seit zehn Jahren einen positiven Trend und Zuwachsraten in der Campingbranche. Immer mehr Gäste interessieren sich für diese Urlaubsform, was sicher auch mit dem demografischen Wandel zusammenhängt. Die Verkäufe in der Caravanindustrie bestätigen dies ebenso. Allerdings geht es dabei nicht nur um das Reisen mit einem Caravan, es geht auch um den Zelttourismus, der enorm angezogen hat. Noch vor zehn Jahren war man der Meinung, dass sich dafür niemand mehr interessiert. Das ist aber nicht so, gerade junge Leute und Familien haben das Zelten wieder neu entdeckt.
CWH: Liegt das an der Tatsache, dass viele wieder zurück zur Natur wollen?
GR: Das auch, aber die Ausrüstungen sind natürlich deutlich komfortabler geworden. Auch die vielen Angebote rund um dieses Thema unterstützen den Trend. Als ich Kind war und mit meinen Eltern zum Zelten ging, war unser Zelt noch handmade. Mein Vater hat die Stangen geschweißt, meine Mutter das Zelt genäht.
CWH: Die Zahlen der Abverkäufe von Caravans und Campingmobilen sind ja enorm.
GR: Ja, in der Tat. Man muss die Zahlen natürlich relativieren. Der Händlerverband meldet ja nur die jährlichen Zuwachsraten. Die Frage ist aber doch, wie sich die Stammzahlen verändern. Man muss die Abgänge dann auch mit in die Berechnung nehmen. Folglich sind die Bestandsentwicklungen dann doch nicht ganz so hoch, wie die Verkaufszahlen und die jährlichen Zuwachsraten bei den Neuverkaufszahlen angeben.
CWH: Wie weit ist die Auslastung auf Campingplätzen gestiegen? Stehen die Zuwächse bei Übernachtungen und dem Abverkauf von Wohnmobilen in Zusammenhang?
GR: Eine Analyse der letzten fünf Jahre zeigt, dass sich dieser Zuwachs ungefähr im gleichen Verhältnis entwickelt hat. Allerdings ist die Auslastung der Plätze, statistisch gesehen, nicht richtig dargestellt – die Erhebungsbögen stimmen nicht ganz. Das kann an falschen Meldungen der Campingplätze liegen, da in den letzten Jahren viele ihre Dauerstellplätze in Touristikplätze umgewandelt haben. Aber natürlich ist die Auslastung nach oben gegangen – man darf aber diese Erhebung nicht auf vier Wochen Ballungszeit an den Hotspots begrenzen – das wäre nicht wirtschaftlich. Erinnern wir uns an den letzten Sommer, da haben die Zahlen auch nicht gestimmt. Die Presse hatte berichtet, dass alle Plätze ausgebucht waren – das traf aber nur auf bestimmte Plätze zu. Selbst für solche an exponierten Lagen hat das nicht gestimmt. Laut Statistik war auch Rügen im letzten Sommer über den Monat gerechnet nur zu 60/70 Prozent ausgelastet.
CWH: Wieso liest man dann in der Presse solche falschen Meldungen?
GR: Das hat zwei Gründe. Zum einen kann man objektive Engpässe zu bestimmten Zeiten und Gebieten nicht als Basis für die gesamte Situation sehen. Sicher, in bestimmten Regionen gibt es das Problem mit dem Overtourismus. Wenn ein Urlauber in der Hauptreisezeit solche Plätze anfährt, muss er damit rechnen, dass sie voll sind. Ein weiterer Punkt ist die Tatsache, dass der Industrieverband BVD eine Kampagne gestartet und einige Medien mit eingespannt hat. Das ist von Interessen geleitet, der Verband versucht mit einer Erweiterung der Stellplätze eine neue Situation zu schaffen, um damit mehr und besser Fahrzeuge verkaufen zu können.
CWH: Wie ist denn die Stimmung zwischen Campingplätzen und Wohnmobilstellplätzen?
GR: Das ist ja nun schon eine längere Entwicklung. Anfänglich kam es schon vor, dass sich Campingbetriebe nicht richtig aufgestellt hatten und Wohnmobiltouristen als Problem angesehen haben. Was auch gestimmt hat, denn diese Urlaubsform war neu und folglich hatten diese Gäste auch eine differenzierte Verhaltensweise. Das ist anfänglich auf Widerstand gestoßen. Seit ich aktiv in der Branche bin, bemühen wir uns, dass sich die Plätze auf diese Zielgruppe einstellen. Inzwischen haben sich viele neu orientiert und zum Beispiel auch vor der Schranke erweiterte Parkplätze für Durchreisende geschaffen, für Urlauber, die gar nicht unbedingt auf einen Campingplatz wollen.
CWH: Sie setzen sich als Verband bereits seit einigen Jahren für den Wohnmobiltourismus ein.
GR: Wir sind als Verband natürlich nicht gegen Wohnmobiltourismus. Im Gegenteil, er ist ein ganz wichtiger, elementarer Teil in der Branche. 2014 haben wir einen weitreichenden Satzungsänderungsbeschluss gefasst, er sollte manifestieren, dass sich der BVCD nicht nur als Interessenvertreter der Campingplätze in Deutschland sieht, sondern auch die Wohnmobilstellplätze als Teil der Campingwirtschaft begreift. Wir haben eine Fachgruppe gegründet und wollen mit gezielten Maßnahmen der wachsenden Bedeutung des Wohnmobiltourismus Rechnung tragen. Es muss neue Regelungen geben. Wir haben als BVCD Vorschläge zur Diskussion für eine einheitliche und überarbeitete Camping- und Wohnmobilstellplatzordnung unterbreitet. Es geht dabei natürlich auch um die Abfallentsorgung, Abwasser, Brandschutz etc. Auch müssen gesetzliche Vorschriften eingehalten werden. Wenn es eine Meldepflicht oder eine Kurtaxe gibt, dann müssen sich alle danach richten. Wohnmobilstellplätze müssen gleiche rechtliche Auflagen, gleiche Bedingungen haben, wie das bei Campingplätzen der Fall ist.
CWH: Wo geht die Reise hin?
GR: Es gibt natürlich Grenzen, die auch der demografischen Entwicklung geschuldet sind. Familien werden weniger werden, die Bevölkerung wird nicht weiter wachsen. Fakt ist aber, dass Urlauber immer mehr Qualitäten fordern, immer mehr Bedürfnisse haben, die befriedigt werden wollen. Campingplätze, die sich als Familienplätze ausrichten, sind fast schon Freizeitparks mit umfangreichen Aktivitäten und Animationen. Unser Campingplatz Havelberge ist ähnlich strukturiert – vergleichbar mit Club Med –, wir haben dort 50 Animateure, sogar mit einer eigenen Show. Mein Bruder hat dieses Konzept bereits vor 40 Jahren in die Branche gebracht.
CWH: Campingplätze müssen sich aber differenziert aufstellen, Alleinstellungsmerkmale schaffen. Sie betreiben mit Ihrem Haveltourismus auch eine gute Mischform von Angeboten und Konzepten.
GR: Nicht jeder Platz ist wie Havelberge aufgestellt. Wir haben beim Haveltourismus insgesamt acht Plätze, die alle durch Wasser verbunden sind. Hier kann man mit dem Kanu von Platz zu Platz fahren, Kanuwandern mit dem Zelt in der Papptonne, direkt am Ufer das Zelt aufschlagen. Unser Portfolio ist also breit gefächert. Das ist ja das Tolle in unserer Branche – vom kleinen Zelt bis zum komfortabelsten Bereich, wo alles geboten wird. Es gibt aber Kollegen, die klar sagen, dass bei ihnen kein Zelt auf den Platz kommt. Das halte ich für falsch, die Branche muss sich nach unten offen halten. Was ist mit den jungen Leuten, die „nachwachsen“ und erste Erfahrungen mit einer Zeltausrüstung sammeln möchten? Es braucht ein Nebeneinander, das funktioniert, eine Durchmischung der Schichten. Das ist ja das Spannende. Unser Animationsteam in Havelberge hat letztes Jahr genau zu diesem Thema eine Show geschrieben. Inhalt war die Annäherung von Dauercampern und Luxusmobilen und wie beide, nach anfänglichen Schwierigkeiten, dann doch zusammengekommen sind.
CWH: Ein anderes Thema ist die Tatsache, dass viele Plätze sehr verstärkt auf feste Mobilheime setzen.
GR: Es gab in Holland eine Situation, dass Campingplätze umgebaut wurden, nur noch Mobilheime aufgestellt haben. Schlussendlich sind sie dann der Nachfrage von Campingtouristen nicht mehr nachgekommen. Das hat de facto mit Camping nichts mehr zu tun. Sicher brauchen wir auch feste Mobilheime, aber die Mischung muss stimmen. Ich mache zum Beispiel gerne Urlaub in Bordeaux. Ich fliege dorthin, fahre keine 2.000 Kilometer, sondern miete mir dort ein Mobilheim – geht ja nicht anders. Leider gibt es bei der Musterverordnung für Mobilheime viele Hindernisse. Jedes Bundesland hat andere baurechtliche Bestimmungen, das macht die Planung schwer. Wir kämpfen schon lange um Einheitlichkeit. In Schleswig Holstein dürfen zum Beispiel Mobilheime ohne Genehmigung aufgestellt werden, in Bayern braucht es bereits für ein Pod eine baurechtliche Genehmigung.
CWH: Zum Ende unseres Gesprächs will ich noch kurz auf China kommen. Sie hatten sogar dort ein Projekt?
GR: Ja, das war 2005 und stand in Zusammenhang mit der Olympiade. Herr Günther war zweimal in China, ich war bei der Eröffnung eines Platzes dabei. Unser Anraten war es, bis zur Eröffnung die Sanitärgebäude fertigzustellen. Bei meiner Ankunft gab es aber statt Toiletten ein „Wild-Duck-Museum“. Camping wurde zu diesem Zeitpunkt dort noch eher wie ein Picknick ohne Übernachtung gesehen. Das ändert sich aber gerade und geht voran. Wenn sich also sogar in China das Konzept Camping durchsetzt, dann haben wir eine echte Perspektive.
CWH: Herr Dr. Riechey, wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch. (KW)
Bild: Dr. Gunther Riechey