Nachgefragt bei Dr. Heinrich Lang über Ist-Zustand und Zukunftsprognose in der Campingwirtschaft
Er ist deutschlandweit der einzige öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Camping- und Ferienparkwirtschaft. Ein kompetenter Partner der Campingwirtschaft mit jeder Menge Know-how, der mit einer in über 30 Jahren erfahrenen Sichtweise manches Branchenthema aus einem etwas anderen Blickwinkel interpretiert.
Der Schrei nach Digitalisierung – übertrieben?
Das Pandemiejahr 2020 hat der ganzen deutschen Wirtschaft gezeigt, dass eine weitere Digitalisierung notwendig ist. Dies betrifft natürlich auch die Campingwirtschaft; allerdings habe ich den Eindruck, dass hier auch wieder einmal übertrieben wird. Das Thema fokussiert sich nämlich fast nur auf Internetbuchungen und Buchungsplattformen. Für die meisten Betriebe wäre es durchaus sinnvoller, zunächst die Digitalisierung ihrer internen Geschäftsabläufe zu vertiefen. Natürlich wäre es im Sommer 2020 und vielleicht auch in diesem Jahr 2021 schön gewesen, wenn man eine übersichtliche Darstellung von Restkapazitäten gehabt hätte. Aber auch das hätte nicht dazu geführt, dass Überbuchungen und an manchen Tagen chaotische Verhältnisse zustande kommen. Dies war darüber hinaus ja kein Dauerzustand, sondern hat sich auf wenige Tage in einem begrenzten Zeitraum konzentriert. Natürlich sollte jeder ernsthaft am Marktgeschehen teilnehmende Campingbetrieb auch online buchbar sein, aber dass die gesamten Kapazitäten online und über Plattformen abgewickelt werden, ist sicherlich übertrieben! Das geht ja auch an die Wurzeln der Urlaubsform Camping. Das „Heute hier – morgen dort“ muss auch noch erhalten werden. Gleichzeitig sollte aber zum Beispiel jungen Familien mit Kindern, die auf Sicherheit Wert legen, die Möglichkeit gegeben werden, im Voraus und natürlich auch online zu buchen. Im vergangenen Jahr haben auch einige Betriebe in der Pandemiesituation auf kontaktfreies Check-in und Check-out gesetzt. Das ist ja nicht neu und hat sich seit vielen Jahren in der Low-Budget-Hotellerie durchaus bewährt. Allerdings unterscheidet sich ein Campingplatz mit praktisch ausschließlich Urlaubs- und Freizeitgästen doch ganz deutlich von einem Low-Budget-Hotel mit überwiegend geschäftlich Reisenden. Die persönliche Gästebetreuung im Campingbetrieb ist nach wie vor ein Wert an sich.
Der Ruf nach Pauschalpreisen – sinnvoll?
Ich denke, dass sich die Campingprodukte nur in ganz seltenen Fällen zu Pauschalreisen vereinen lassen. Dies würde bedeuten, dass neben der Übernachtung auch weitere Komponenten, wie Frühstück oder Halbpension und die Teilnahme an Programmen etc., mit enthalten sind. Dies ist eher schwierig und widerspricht häufig den Unabhängigkeitsvorstellungen der Campinggäste. Was wir jedoch benötigen, ist mehr Übersichtlichkeit, und zwar durch inkludierte Preise. Kein Hotelier würde auf die Idee kommen, für sein Doppelzimmer die entstehenden Stromkosten extra abzurechnen und die Dusche nur über Münzautomaten bedienen zu lassen. Ich rate dringend dazu, auf inkludierte Preissysteme mit einem festen Tagespreis zu gehen. In einem weiteren Schritt wird es dann sicherlich auch zu dynamischen Preisen kommen müssen, wie in der sonstigen Hotellerie auch, dass zu bestimmten Zeiten und mit einem bestimmten Auslastungsgrad die Preise variieren können und da ist ein auf der Homepage hinterlegter Preisrechner natürlich eine notwendige Automatisierung. Für den Anfang wird es aber schon einmal genügen, wenn man dem Gast übersichtliche Preise präsentiert, z. B. eine Übernachtung einschließlich Strom und Duschen für bis zu drei Personen für beispielsweise 35 Euro.
Eine erhöhte Nachfrage – mehr Plätze?
Der Bestand an Campingplätzen in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten nur unwesentlich verändert. Hinzugekommen sind allerdings einige Hunderte Wohnmobilstellplatzanlagen in unterschiedlichster Qualität. Auch das Angebot an Standplätzen für Touristen in Campingbetrieben hat sich nach meiner Meinung nur geringfügig vergrößert. In den letzten Jahrzehnten wurden zwar viele Dauercampingstandplätze in Touristikstandplätze umgewandelt, allerdings wurden auch aufgrund des größeren Flächenbedarfs Standplätze zusammengelegt, d. h. aus z. B. vier ehemaligen Dauerstandplätzen wurden drei etwas größere Touristikstandplätze. Diese Entwicklung ist im Moment auch etwas zur Ruhe gekommen, da plötzlich neue Dauercampingnachfrage auftaucht.
Dauercamper vs. Touristen – auf Augenhöhe?
Dauercamper waren eine Zeitlang nicht besonders geschätzt, aktuell ist die Sichtweise auf sie wieder eine andere geworden. Die neuen Dauercamper verschanzen sich nicht mehr hinter Gartenzäunen und Gartenzwergen, verbauen auch nicht mehr alle Scheußlichkeiten der umliegenden Baumärkte. Die neue Generation ist wesentlich serviceorientierter, sie beauftragt lieber das Parkmanagement, den Rasen zu mähen, statt selbst Hand anzulegen. Sie nutzen mehr die Infrastruktur eines Platzes und sorgen so für zusätzliche Einnahmen. Natürlich können auf einem Dauercampingstandplatz im Moment immer noch deutlich weniger Umsätze generiert werden als auf einem Touristikstandplatz, aber die Einnahmen sind relativ sicher und der Personalbedarf ist deutlich geringer, was angesichts des angespannten Arbeitsmarkts auch bedacht werden muss.
Campingplatz vs. Stellplatz – ein gutes Miteinander?
Prinzipiell ist das Miteinander gut, beide Konzepte werden oder wurden ja auch gebraucht. Allerdings beobachten wir in den letzten Jahren eine starke Konvergenz der beiden Betriebsarten Campingplatz und Wohnmobilstellplatzanlage. Da es sich bei der Mehrzahl der neu zugelassenen Wohnmobile um abgelastete Nutzfahrzeuge mit nur 3,5 Tonnen Gesamtgewicht handelt, ist das Angebot an Bord gerade im Sanitärbereich mehr als bescheiden und die Mitnahmemöglichkeit z. B. auch von Frischwasser ist eher begrenzt, da sehr schnell die Überladung droht. Das macht die Fahrzeuge aber deutlich weniger autark und nach zwei, drei autarken Tagen unterwegs geht man doch gerne in Campingplätze, um einmal schön duschen zu können und Wäsche zu waschen. Aufgrund dieser Entwicklung gehen sehr viele Wohnmobilstellplatzbetreiber dazu über, ebenfalls Sanitäranlagen optional gegen Aufpreis ihren Gästen zur Verfügung zu stellen. Dann aber ist nicht nur der Ausstattungsunterschied, sondern auch der Preisunterschied zwischen Campingplatz und Wohnmobilstellplatz nur noch minimal.
Campingtrends: Renaissance des Zeltes und feste Mietobjekte
Wenn sich die Caravanbranche auf einer Messe mal wieder selbst beweihräuchert und sich zweistelliger Zuwachsraten bei Wohnmobilen und Wohnwagen rühmt, kann ich nur sagen: „Eure Fahrzeuge werden vom Kraftfahrtbundesamt gezählt – die Millionen an Zelten, Zeltanhängern oder Dachzelten hingegen zählt niemand.“ Schon seit ein paar Jahren erlebt das Zelt eine echte Renaissance, ist wieder unglaublich in Mode gekommen. Natürlich ist das eine saisonale Geschichte, aber mit positiv ökologischem Nebeneffekt. Viele Campingbetriebe haben dies erkannt, weisen ihre Zeltareale zumindest temporär aus und entsprechen den höher gewordenen Ausstattungsanforderungen auch der Zeltgäste. Eine ältere Erscheinung der letzten zehn Jahre hingegen sind feste Mietobjekte. Ich persönlich denke, dass der Zuwachs hier in Zukunft abflachen wird, auch wenn im Moment noch manche Betreiber gerade einen exzessiven Aufbau von festen Mietobjekten betreiben. Häufig wird nicht hinterfragt, welcher Ertrag mit solchen Objekten unterm Strich nach Berücksichtigung von Abschreibung und Verzinsung übrigbleibt, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass man sehr tief in der Sphäre der Hotellerie ist mit allen Personalproblemen, Wäschewechsel etc. Auch verringert das Angebot an Mietobjekten natürlich die für Campingfahrzeuge und Zelte zur Verfügung stehende Fläche, was zu einer weiteren Verknappung führt. Für ein Mietobjekt werden in der Regel zwei Standplätze benötigt. Angesichts der sehr starken Zunahme der Freizeitfahrzeugflotte und des Zeltbestands und angesichts der Personalprobleme in der Hotellerie in Deutschland muss doch gefragt werden, ob es nicht besser ist, wenn unsere Campinggäste ihre Betten mitbringen und – noch viel wichtiger – diese auch selbst machen.
Campingboom – überschätzt sich die Branche?
Wir erwarten in diesem Jahr 2021 doch eine Bestätigung der guten Nachfragezahlen aus 2019 und das Campinggeschehen wird sich abermals sehr stark auf Deutschland fokussieren, allerdings im Vergleich zum Jahr 2020 nicht mehr so stark, da Campingnachbarländer früher öffnen konnten. Andererseits können wir in 2021 wieder verstärkt ausländische Campinggäste verzeichnen, die ja im Jahr zuvor erst sehr spät nach Deutschland reisen konnten. Aber auch die starke Zunahme an Freizeitfahrzeugen und Zeltausrüstern in Deutschland kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zurzeit nur maximal 7 Prozent der urlaubmachenden inländischen Gesamtbevölkerung dazu Campingbetriebe aufsuchen. Ich denke, wir, die Campingbranche, überschätzen uns also etwas – dennoch bin ich der Ansicht, dass die Campingwirtschaft nicht nur eine mittel-, sondern auch langfristig gute und sichere Zukunft haben wird.
Mehr Infos unter: www.sachlang.de
Bild: Dr. Heinrich Lang
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