Ein traumhafter Campingplatz am Bodensee, Foto: Karin Wörner
Bereits früh den Grundstein gelegt
Als Jugendlicher sagte er zu seinen Campingplatzfreunden: „Später einmal, werde ich diesen Platz führen.“ Dann kam erst einmal das Leben dazwischen, 2020 ist die damals verkündete Botschaft aber tatsächlich eingetreten: Heute arbeitet Michael Renz auf dem Campinplatz Wangen in Öhningen am Bodensee. Klingt ganz nach einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Fast 30 Jahre hat er in der Kunststoffindustrie gearbeitet, zuerst bei einem großen Automobilkonzern, später dann in der Schweiz in der Medizintechnik. Der Liebe wegen ging es zurück nach Deutschland, in seine alte Heimat, in der er, bis Corona kam, in einem kleinen Betrieb angestellt war. „Als die Kurzarbeit für mich aktuell wurde“, erzählt Michael Renz, „fragte mich mein Bruder Stephan, ob ich auf 450-Euro-Basis für ihn arbeiten möchte. Er suchte eine Hilfe für sein Bistro, das er als Pächter übernommen hatte. Das Höri-Bistro, das auf einem Areal liegt, zu dem auch ein Strandbad und ein Campingplatz und ein Restaurant gehören, war bereits ein Selbstläufer und der ganzer Ort „süchtig“ nach den leckeren und reginalen Angeboten dort. Hinzu kam, dass ich diesen wunderbaren Platz seit meiner Jugend kenne und tolle Erinnerungen an den Campingplatz und unsere Clique dort hatte. Natürlich war meine Antwort ‚ja‘ und kurz darauf ging’s los.
Wieder war es der Bruder, der Michael Renz fragte, ob er sich vorstellen könne, Betreiber des hiesigen Campingplatzes zu werden. Der Gemeinde, die diesen damals verwaltet hat, war daran gelegen, Bistro, Campingplatz und Strandbad im Gesamtpaket zu verpachten. Das Restaurant wurde noch ausgenommen, da es zu diesem Zeitpunkt noch verpachtet war. Stefan hatte die Idee das Trio zu übernehmen und Michael als Geschäftsführer einzustellen. Erst einmal musste dieser aber ein drei-tägiges Praktikum absolvieren, das war Voraussetzung der Gemeinde. „Es hat mir richtig gut gefallen“, sagt Michael, „ich habe dort auch viele Dauercamper wiedergetroffen, die ich noch aus meiner Jugendzeit kannte. Für meinen kleinen Schnupperkurs gab es ein super Feedback und für mein Erinnerungsvermögen einen Schupser von der Tochter eines Dauercampers: ‚Weißt du noch, sagt sie, ‚dass du schon als Jugendlicher den Traum hattest, diesen Platz irgendwann zu leiten?‘“ Da war sie nun also, die Prophezeiung und da man in Fügungen nicht reinpfuschen sollte, setzte sich Michael hin, schrieb ein Konzept, um an der Ausschreibung für den Platz teilzunehmen.
Bereits als Kind wollte Michael Renz auf diesem Campingplatz einmal arbeiten. Foto: Michael Renz, Campingplatz Wangen
Es gab nur einen Mitbewerber aus dem Nachbardorf. Die Verpachtung war seitens der Gemeinde erst einmal nur für zwei Jahre angedacht, das hat sicher einige Bewerber aus dem Rennen genommen. „Alle standen hinter mir“, erzählt Renz, „die Leute haben sogar Unterschriften für mich gesammelt. Auch die Dauercamper wollten losziehen, davon haben wir sie aber abgehalten und gesagt: ‚Es kommt, wie es kommt‘.“ Und es kam: die Zusage. Mitte Dezember 2020 überreichte man Michael die Schlüssel und zwei Ordner – einen für die Dauercamper, einen für Tourismuscamper. Zuerst kam der Bürokram dran, alle Dauercamper angeschrieben und Grundwissen nachgelesen. „Um mehr Einblick in die Branche zu bekommen, erzählt Michael, „habe ich andere Plätze abgeklappert, geschaut und Fragen zu Verträgen, Versicherungen, etc. gestellt. Ich war dankbar für jeden Tipp. Auch Prof. Dr. Lang und Frau Elke Schönborn von der IHK Nordschwarzwald waren beste Ansprechpartner für mich und natürlich der Vorpächter des Platzes, der mir mit Rat zur Seite stand.“
Der Campingplatz hat ein unausgewogenes Verhältnis von Dauercampern und touristischen Campern. Das soll sich langfristig ändern, denn mit den Dauercampern ist der Verdienst defakto weniger im Vergleich zum touristischen Gast. „Die Kosten steigen ja“, sagt Michael, „ich brauche gutes Personal und möchte auch einen guten Lohn zahlen. Wie unverzichtbar gute Mitarbeiter sind lebt mir mein Bruder mit seinem Bistro bereits vor. Dennoch werde ich meine Saisoncamper nicht auf die Straße setzen, denn viele sind inzwischen über 80 Jahre alt und müssen ihre Plätze ohnehin irgendwann aufgeben – die Weitergabe innerhalb der Familie ist ausgeschlossen. Wenn alles weiterhin so gut läuft und sich die Pacht verlängert, ist natürlich einiges geplant, damit der Platz zukunftsfähig bleibt. Solar ist bereits vorhanden, das Sanitär muss aber neu gemacht werden. Auch in Sachen Umwelttechnik- und Zertifikaten wollen wir dann aktiv werden. Wenn es soweit ist, werde ich Elke Schönborn und Prof. Dr. Heinrich Lang sicher wieder mit ins Boot nehmen.“
Nach der ersten Saison sind hier alle mehr als zufrieden, das Konzept geht auf. Ohnehin ist der Platz, der auf der Halbinsel Höri, direkt am Wasser liegt, ein echter Selbstläufer. „Ich habe, sagt Michael, kaum in Werbung und Marketing investieren müssen – unsere aktuell 21 Touristenplätze waren ab April für die ganze Saison so gut wie ausgebucht. Dass hier stark auf Regionalität gesetzt wird, spielt sicher sehr positiv mit rein. Vom Getränken bis zum Gemüse kommt hier alles aus der Gegend. Sogar der Wohnort der Kuh kann bekannt gegeben werden, wenn jemand danach fragt (lacht). Wir haben ein breit aufgestelltes Netzwerk, alles hat kurze Wege. Toll ist auch das Miteinander aller Plätze hier in der Gegend. In Hochzeiten schubsen wir uns die Gäste gegenseitig zu, hier braucht niemand neidisch auf den anderen sein, die Plätze sind ja eh fast immer voll (lacht). In der ersten Saison war natürlich ein großen Spagat nötig, um es allen recht zu machen: der Gemeinde, der örtlichen Kommune, den Anwohnern, den Campern und natürlich mir selbst auch“, lacht Michael. „Ich freue mich riesig auf die nächste Saison. Natürlich ist dann wieder sechs Monate Fulltimejob angesagt. Aber solange mein Sohn, der den Campingplatz genauso liebt wie ich, dabei nicht zu kurz kommen, ist alles gut. Meine spontane Entscheidung war also absolut richtig, mein Herzblut treibt mich weiter und meine Vorhersehung zeichnet ein klares Bild: Bald werde ich wieder ein Bierchen zusammen mit meinen Gästen trinken – natürlich erst nach Feierabend (lacht).“ KW
Mehr Infos unter: camping-wangen.de