In der Kulinarik steht der Hummer für exquisiten Luxus, sein Kollege, der Hering, für den eher kleinen Geldbeutel. Ähnlich verhält es sich, wenn man die Campingbranche durchleuchtet. Auch hier öffnet sich die Schere zwischen erlesenem Glamping und einfachem Camping immer weiter. Ist der Wunsch nach Minimalismus ebenso präsent wie der nach einer Luxuslodge mit Privatbad? Können beide Konzepte Garant für einen wirtschaftlichen Erfolg sein? Und für wen macht welches Konzept eigentlich Sinn?
Dass die Branche boomt, ist keine neue Erkenntnis. Dümpelte Camping früher eher vor sich hin, wurde belächelt und in die Abseitsecke der Tourismusindustrie gestellt, ist Dornröschen inzwischen erwacht und sieht die vielen Möglichkeiten, die Camping heute bieten kann. Bieten muss, bedenkt man die steigenden Ansprüche der Campingurlauber. Oder? Ist das Prinzip immer höher, weiter, schneller längst nicht auch in der Campingbranche angekommen oder täuscht der Eindruck? Fakt ist, dass sich viele Plätze bereits neu aufgestellt haben oder vorhaben, dies zu tun, Investitionen tätigen und Fördermittel abgreifen. Das ist auch gut so! Allerdings nur dann, wenn sich die Maßnahmen rechnen und nachhaltig attraktiv für einen Campingplatz sind.
Wohin soll es gehen?
Die Branche erlebt gerade einen ordentlichen Schub in Richtung Neupositionierungen und Sanierungen. Einerseits geht es um die Themen Digitalisierung, Automatisierung und zukunftsfähige, klimafreundliche Technologien. Andererseits um die Entscheidung, welches Segment, welche Nische ein Platz bedienen möchte. Wie möchte er sich aufstellen, welche Zielgruppe akquirieren? Will er Hummer oder Hering auf seine Karte schreiben? Mit klassischem Camping, mit Natur oder gar mit Minimalismus punkten oder seine Gäste mit Mobilheimen, Tiny Houses und Safarilodges locken? Die Möglichkeiten sind vielfältig, die Campingurlauber auch. Da kann die Entscheidung schwer werden. War Camping früher Wiese, Parzelle, Sanitär und gut, stellt sich die Branche heute in einem wesentlich breiteren Rahmen auf. Bergen all diese neuen Möglichkeiten auch Gefahren hinsichtlich einer Falschpositionierung? Vielleicht lässt sich der eine oder andere Platzbetreiber vom schnellen Euro locken. Er hofft, vom verführerischen Kuchen ein Stück abzubekommen, wenn er auf der Glampingwelle mitreitet und mit größeren Mietobjekten und luxuriösen Behausungen seinen Platz begehrlicher macht, dabei jedoch übersieht, dass dieses Konzept für seinen Platz so gar nicht realisierbar ist. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob Betreiber sogar von der Befürchtung getrieben werden, den Anschluss zu verpassen und im Abseits zu stehen, wenn sie diesem Trend nicht folgen.
Ein klarer Blick
Fakt ist, dass jede Investition gute Argumente braucht und Wissen voraussetzt. Auch wenn die eigenen Visionen nach Erfolg rufen, muss klar sein, dass Wunsch und Realität klaffen können, eigene Vorstellungen vielleicht gar nicht umsetzbar und das zu erwartende Ergebnis nicht der erforderlichen Rentabilität entspricht. Gerade in den Segmenten Glamping, Mobilheime und Co. reizen natürlich die höheren Einnahmen und das Mehr an Profit, was die Sache zweifelsfrei verführerisch macht. Doch welche Plätze in der Branche können diese Module überhaupt bedienen? Führt das vielleicht sogar zu einem Verdrängungswettbewerb? Haben Plätze mit wenig finanziellen Mitteln das Nachsehen und spalten nicht auch die Campingplatzverordnungen der Bundesländer die Branche, weil der Betreiber X Mobilheime aufstellen darf, Betreiber Y aber nicht? Letztendlich ist das Gute am Gesamtkonzept Camping aber, dass die Branche inzwischen so viel Potenzial besitzt, dass alle Ausrichtungen beste Chancen bieten können, wenn dahinter überzeugende und durchdachte Konzepte stehen. Anzuraten ist es auf jeden Fall immer, bei solchen Entscheidungen einen Branchenkenner mit ins Boot zu nehmen, um von seinen Erfahrung zu profitieren, um besser entscheiden zu können, welche Neuerungen sinnvoll sind und Zukunft haben und von welchen man besser die Finger lassen sollte. Schließlich will sich ja niemand selbst ins Aus befördern oder am Ende merken, dass Investitionen falsch getätigt wurden und es sich herausstellt, dass das Konzept am Ziel vorbeigeschossen ist.
Ein Plädoyer für die Vielfalt
Mit einem gut durchdachten und realistischen Businessplan ist es letztendlich egal, mit welchem Trend ein Platz erfolgreich ins Ziel kommen will: Glamping oder Camping, stilvoll eingerichtetes Safarizelt oder klassische Parzelle Richtig zubereitet können beide Garant für eine gute wirtschaftliche Zukunft sein. Falsch zubereitet schmeckt jedoch weder Hummer noch Hering. Wer sich fürs die vermeintliche Luxusvariante seines Platzes entscheidet und denkt: „Da stelle ich jetzt mal ein paar Mietobjekte auf und der Hummer springt von alleine auf meinen Teller“, wird sich verschlucken, weil er das Kunstwort Glamping nicht verstanden hat. Beispiele für eine falsche Interpretation gibt es leider viele. Unzählige, lieblos in Reihe drapierte Tiny Houses oder Mobilheime, die versuchen, einen betonierten Parkplatz aufzuwerten, werden keinen Blumentopf gewinnen und eher an Massenunterkünfte als an individuelles Nobelcamping denken lassen.
Wer das ganz klassische Camping mit Parzellen und Wiese oder gar den Minimalismus bedienen möchte, sollte dennoch im Auge haben, dass selbst er nicht gänzlich auf Investitionen verzichten kann. Wer mit digital Detox seine Gäste lockt, hat vielleicht Chancen, um die Digitalisierung herumzukommen, wer aber sein in die Jahre gekommenes Sanitärgebäude als antik verkaufen möchte, wird damit sicher niemanden begeistern. Denn selbst der minimalistische Camper erwartet einen gewissen Standard und steht sicher nicht auf Waschbeckensammlungen der letzten vier Jahrzehnte.
Wenn Camping bunt und vielseitig bleibt, wenn die stetig wachsende und vielschichtige Camperschar genau das Fleckchen Urlaub findet, das sie sucht, kommen die unterschiedlichsten Konzepte ans Ziel und bieten beste Chancen für eine friedliche Koexistenz aller: Glamping, Camping, Mobilheime, Zeltwiese, Luxuslodge, Baumhaus, klassisch, naturnah und minimalistisch.
Und für alle gibt es eine Investition ganz gratis mit dazu, nämlich den guten Service am Gast, denn auf den stehen alle: vom Hummer bis zum Hering.
„Ich bin erstaunt, wie viel Geld die Betreiber alleine in Brandenburg im Jahr 2021 für Investitionen in die Hand genommen haben und 2022 auch noch werden. Das ist toll. Daran sieht man, wie gut es der Branche geht.“ Katrin Waitek, BVCD Brandenburg
Hummer UND Hering: Ein Plädoyer für die Vielfalt
Auf die Frage „Hummer oder Hering?“ ist die Antwort für uns ganz eindeutig: „Bitte beides!“ Camping ist so bunt und vielfältig, kreativ und ideenreich wie die Zielgruppe der Camper selber. Diese Vielfalt ist der größte Schatz der Platzbetreiber und bietet unzählige Nischen für Hummer UND Hering, Barfuß UND Lackschuh, à la carte UND Pommesbude.
Campingplätze sind mal minimalistisch, mal luxuriös, mal groß, mal klein. Manche sind teuer, andere erschwinglich. Es gibt sie auf dem Land, in der Stadt, in den Bergen und an der Küste. Viele werden von einer Gemeinde verwaltet, andere hingegen sind privat geführt. Einige sind neu erschaffen oder wurden saniert, andere sind echte Urgesteine und reich an Erfahrung. Es gibt jene, die noch auf die Erweckung warten und diejenigen Plätze, die Zertifikate und Auszeichnungen sammeln. Manche trumpfen mit Mobilheimen auf, andere bieten herrliche Zeltwiesen. Die einen setzen auf Glamping, die anderen auf Natur und Minimalismus und wo auf Campingarealen bei der Unterhaltung der Gäste auf Animateure gesetzt wird, werden die Camper auf naturnahen und ruhigeren Plätzen lediglich vom Gezwitscher der Vögel erfreut. Mal entdeckt man Wohnmobile, die größer als Wohnungen sind, manchmal Wohnwagen, die Wohnungen sind. Viele Plätze sind bereits digital, andere noch immer analog. Während viele inzwischen mit Buchungsportalen zusammenarbeiten, kümmern sich andere lieber immer noch selber um die Reservierungen und Buchungen. Die einen bieten als kulinarische Happen Currywurst und Pommes, andere setzen auf regionale Spezialitäten. Viele haben es in exponierten Lagen von Natur aus leicht, andere brauchen ganz besondere Marketingideen. Manche sind Hummer, manche sind Hering. Lecker sind beide. (KW)
Foto: AdobeStock
Fotomontage: Kathrin van der Merwe