Foto: Nadine Rupp/action press
Das Interview führte Karin Werner, Chefredakteurin CAMPINGWIRTSCHAFT HEUTE
Das Repertoire von Saskia Vester reicht von der Komödie über populäre und experimentelle Stücke bis hin zu echten Klassikern. Für ihre Leistungen wurde sie bereits mit dem Bayerischen Fernsehpreis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.
Sie gehört zu jenen Schauspielerinnen, die man nicht mehr vergisst, wenn man sie einmal gesehen hat. Sie schlüpft in die unterschiedlichsten Rollen und begeistert mit ihrem Spiel seit Jahrzehnten das Publikum. Häufig sind ihre Rollen unkonventionell, manchmal eigensinnig und irgendwie immer sehr sympathisch. Sogar als Mörderin heimst sie vom Publikum statt einer Verurteilung eher Mitleid ein. Dass sie zu den beliebtesten deutschen Schauspielerinnen zählt, liegt sicher auch an ihrem bezaubernden Lachen, an ihrer frechen, manchmal fast mädchenhaften Art und an ihrem ganz besonderen Charme. Als wir erfahren haben, dass Saskia Vester gerne zeltet, wollten wir natürlich unbedingt mit ihr sprechen und mehr erfahren.
CWH: Liebe Saskia, ich bin ein großer Fan von Ihnen und habe mich riesig gefreut, als Sie auf meine Anfrage hin Ja gesagt haben. Etwas verwundert war ich aber auch. Sind Sie etwa Campingfan?
SV: Ja, total. Deswegen habe ich Ihnen ja auch das Interview zugesagt. Wäre es um eine Anglerzeitschrift gegangen, hätte das sicher anders ausgesehen. (lacht) Ich liebe das Campen, besonders das Zelten. Meine Eltern waren schon passionierte Zelter und so habe ich die Ferien meiner gesamten Kindheit in St. Tropez auf einem Campingplatz verbracht. Für mich gibt es nichts Gemütlicheres, als in einem Zelt zu liegen. Und wenn dann noch der Regen drauftropft – herrlich.
Vorfreude bei Saskia: Bald geht es zum Zelten. (Foto: Saskia Vester privat)
CWH: Käme ein Wohnmobil für Sie auch infrage?
SV: Absolut! Während Corona sind mein Mann und ich auf das Wohnmobil gekommen und in den letzten beiden Jahren viel damit unterwegs gewesen. Als ich in Apulien eine Folge von „Das Kindermädchen“ gedreht habe, sind wir mit einem gemieteten Hymer von München an den Südzipfel Italiens gefahren. Das war eine superschöne Reise. Wir sind etappenweise in fünf Tagen runtergegondelt und haben uns wunderschöne kleine und ländliche Stellplätze bei Agriturismusbetrieben ausgesucht. Es war einfach herrlich!
CWH: Sie bevorzugen also eher die kleineren, sehr naturnahen Plätze?
SV: Unbedingt, ich liebe die Natur. Ein klassischer Campingplatz wäre eher nichts für mich. Das erinnert mich zu sehr an eine Reihenhaussiedlung. Mein Mann und ich sind nicht die Sonnenanbeter, die den ganzen Tag am Strand auf der Liege verbringen. Bei uns muss sich was rühren, wir wollen Land und Leute kennenlernen. Da ist es wundervoll, immer ein Stückchen zu fahren und dann bei einem Bauern, an einem herrlichen Platz, stehen zu bleiben.
CWH: Ist das Campen also eine Art Traumurlaub für Sie?
SV: Hm, mal überlegen. Ja, eigentlich schon. Abgesehen davon, dass ich ja bereits in meiner Kindheit mit dem Zelten verbunden war, bin ich inzwischen auch nicht mehr so scharf auf Hotels. Ich habe durch meinen Beruf in so vielen übernachtet, da ist man ja schon eher in einer Enklave. Für mich ist es wahnsinnig angenehm, wenn ich meine Privatsphäre habe und an nichts gebunden bin. Tagsüber gemütlich über einen Markt schlendern, leckeres Essen kaufen, um es später im Wohnmobil zuzubereiten.
CWH: Bleiben wir kurz beim Traumurlaub. Sie haben letztes Jahr eine Folge „Traumschiff“ auf den Malediven gedreht. Sind diese Inseln auch ein Traum für Sie?
SV: Alle haben gesagt: „Wow, Malediven, wie großartig!“ Natürlich ist es wunderschön dort, keine Frage. Irgendwie sind es für mich aber Kunstinseln mit Hotels und tollem Wasser. Das ist es dann aber auch schon. Ich brauche das nicht unbedingt, das ist nicht so ganz meine Welt.
CWH: Wo wurden die Schiffszenen gedreht, auch auf den Malediven?
SV: Nein, das Schiff durfte wegen Corona nicht fahren und lag im Trockendock in Emden. Während es überholt und renoviert wurde, haben wir dort gedreht. Mitten im Winter haben wir superheißes Maledivenschiff gespielt, ich im dünnen Sommerkleidchen. Ich habe noch nie zuvor in meinem Leben so gefroren. Der Dreh war folglich nicht ganz so prickelnd, auch weil wir wegen Corona nicht vom Schiff runterkamen, wir waren dort quasi während der Dreharbeiten in Quarantäne.
CWH: Puh, da muss man sich schon gut untereinander verstehen.
SV: Das haben wir Gott sei Dank auch getan. Das Team und die Kollegen waren toll und wir hatten trotz der widrigen Umstände richtig Spaß miteinander.
CWH: Sie erzählten von Ihrer Reise nach Apulien, zu einem Drehort von „Das Kindermädchen“. Vor Italien waren Sie als Henriette bereits auf Mauritius und in Südafrika im Einsatz. Wo geht die nächste Reise hin, welche neue Mission wartet?
SV: Es geht nirgendwohin, der Sender hat „Das Kindermädchen“ eingestellt.
CWH: Nein!
SV: Doch! Obwohl wir eine Bombenquote hatten. Wir verstehen das alle nicht. Es ist einfach schwierig gewesen, in der Coronazeit dieses Ding zu planen, da war die Logistik schon ziemlich tricky. Man wusste ja nie, wie sich die Inzidenzen in einem anderen Land entwickeln würden. Wenn sie plötzlich hoch gehen, kann man nicht drehen.
CWH: Sehr, sehr schade.
SV: Ja, ich bin auch sehr traurig darüber, ich habe die Rolle sehr gerne gespielt. Als ich das erste Drehbuch gelesen hatte, war ich total begeistert von der Figur. Der Sender schaut aber nach einem neuen Format für mich. Es lag ja nicht an mir, dass es abgesetzt wurde – es waren die vielen ungünstigen Umstände.
CWH: Sie sind inzwischen 62 Jahre alt. Wie erhalten Sie sich Ihre jugendliche, bezaubernde und fröhliche Art? Elena Uhlig hat Sie bei ihrer Talkrunde auf „Uhlig’s stillem Örtchen“ sogar mit der jungen Meg Ryan verglichen.
SV: Ehrlich, hat sie das? (lacht) Ich glaube einfach, dass ich ganz gute Gene habe. Meine Mutter wird 95, sieht aber aus wie 80. Es hat sicher auch viel damit zu tun, wie man lebt, mit wie viel Freude und Liebe man durchs Leben geht und es kommt darauf an, dass das Herz immer schön gefüllt ist. Vielleicht hat auch mein Beruf damit zu tun, der ja recht kinddisch ist. Kindisch nicht im Sinne von unschuldig, sondern von verspielt. Auch ist mein Job ist unheimlich abwechslungsreich: neue Rollen, neues Team, neue Drehbücher, neue Orte. Das alles hält natürlich ebenfalls unglaublich jung und frisch.
CWH: Gibt es einen Lieblingsfilm oder eine Lieblingsrolle von Ihnen?
SV: Ja, die gibt es. Die Frau Kramer in „Wer früher stirbt ist länger tot“ von Marcus H. Rosenmüller war eine Lieblingsrolle. Ich liebe diesen Film, er ist einfach toll.
CWH: Er ist großartig! Ich erinnere mich gerne an die Szene, als Fritz Karl nackt vor Ihnen auf dem Boden herumgekrochen ist.
SV: Wir hatten einen Mordsspaß an diesem Tag. Eine superlustige Szene!
CWH: Sie besetzen mit Ihrem Spiel die unterschiedlichsten Genres. Haben auch schon eine Mörderin gespielt.
SV: Ja, ich habe es sogar in dieser Rolle hinbekommen, dass die Zuschauer am Ende Mitleid mit mir hatten. Irgendwie schaffe ich es nicht so ganz, dass man mich wirklich hasst.
CWH: Von welcher Rolle würden Sie noch träumen?
SV: Ich würde wahnsinnig gerne einmal eine Doppelrolle drehen. Das ist ein dreifacher Salto für einen Schauspieler. Gleichzeitig zwei komplett konträre Charaktere zu spielen, ist unglaublich reizvoll. Ansonsten ist es aber so, dass eine Rolle immer dann eine Traumrolle ist, wenn das Drehbuch gut ist. Wenn es schlecht geschrieben ist, bringt die tollste Rolle nichts. Gute Bücher schaffen es aber, dass man sich gefühlt auf ein Pferd schwingt und ganz von alleine losreitet.
CWH: Wie erkennen Sie, welche Bücher gut sind?
SV: Es ist meine Erfahrung und besonders mein Bauchgefühl. Sie kennen das doch, man liest ein Buch und es macht sofort klick oder eben nicht. Mir ist immer sehr schnell klar, ob es mich packt oder nicht. Wenn mir etwas gefällt, lasse ich das Ganze erst einmal sacken. Dann fängt mein Unterbewusstsein an zu arbeiten und in mir entsteht die Figur.
CWH: Heute ist übrigens Freitag, der 13. Sind Sie abergläubisch?
SV: Ach, heute ist Freitag der 13.? Ah, sehen Sie, das wusste ich gar nicht. Nein, ich bin wohl nicht abergläubisch.
CWH: Sie sind ja beruflich viel unterwegs, müssen oft fliegen, haben aber Flugangst. Wie geht das?
SV: Stimmt, ich habe ganz schreckliche Flugangst. Bei Langstrecken nehme ich tatsächlich Medikamente, die mir mein Arzt verschreibt. Sie pegeln das Adrenalin runter und machen etwas müde. Bei Kurzstrecke geht das nicht, da meist gleich ein Termin ansteht, bei dem ich ja klar und fit sein muss.
CWH: Was hilft da?
SV: Sehr flach atmen hilft. Wenn man viel und schnell einatmet, puscht das das Adrenalin zusätzlich. Besser ist es, in einem ganz bestimmten Rhythmus wenig Luft einzuatmen, ähnlich, als wenn man in eine Tüte atmet. Ein Stück weit funktioniert das auch. Aber wehe, es gibt starke Turbulenzen, dann ist es vorbei und ich bekomme Panikattacken. Ich habe übrigens auch ein Lufthansa-Angstseminar mitgemacht, das ich nur jedem empfehlen kann.
CWH: Ich habe selber Flugangst und leide bereits Tage davor. Sie auch?
SV: Oh ja! Ich drehe bereits drei Tage vor dem Abflug durch. Denke dann immer: „Saskia, genieße die letzten Tag noch, bevor du ins Flugzeug steigst.“ Ich bin dann jedes Mal total überrascht, dass ich noch lebe, wenn ich aus dem Flugzeug steige.
CWH: Kennen Sie Angst auch in Ihrem Beruf?
SV: Nein, da habe ich keine Ängste. Wenn die Kamera läuft, traue ich mich viel mehr, als wenn die Kamera aus ist. Da kann ich an einem Abgrund stehen. Sobald die Kamera aus ist, krieche ich auf allen Vieren zurück. Irgendwie bin ich angstfrei beim Drehen. Im normalen Leben habe ich vor allem Angst. Wenn meine Tochter zum Beispiel mit dem Auto unterwegs ist und sich nach ein paar Stunden noch nicht gemeldet hat, geht bei mir sofort ein Film im Kopf ab, was so alles passiert sein könnte. Ich bin eben ziemlich fantasiebegabt, was gerade in Angstsituationen recht kontraproduktiv sein kann.
CWH: Wie entspannen Sie sich?
SV: Ich habe einen Personaltrainer, mit dem ich Yoga mache, und ich liebe unsere Sauna im Haus. Das sind tolle Entspannungsmomente für mich, um gut runterzukommen.
CWH: Sie wohnen in München. Mittendrin oder außerhalb?
SV: Wir wohnen am Rand von München. Wir suchen aber gerade dringend ein neues Haus. Uns wurde gekündigt, unser Haus wird abgerissen, um Mehrfamilienhäuser zu bauen. Das ist ganz furchtbar für mich, ich bin richtig neben der Spur. Wir haben einen so wunderschönen Garten mit alten Obstbäumen. Das alles soll jetzt platt gemacht werden, einfach nur traurig.
CWH: Wie schrecklich!
SV: Ja, besonders auch, da in München und Umgebung die Preise inzwischen völlig absurd sind.
CWH: Werden Sie eigentlich oft erkannt?
SV: Doch, ja, ich werde schon viel angesprochen, das macht mir auch nichts aus. Was ich aber sehr unangenehm finde, ist, wenn mich die Leute heimlich beobachten. Manchmal auch so tun, als würden sie die Freundin fotografieren, die Linse aber auf mich gerichtet ist. Das mag ich gar nicht.
CWH: Mögen Sie öffentliche Auftritte und rote Teppiche?
SV: Nein! Es ist für mich jedes Mal eine Qual. Aber es gehört in meinem Beruf eben dazu, dass man sich zeigt. Ich könnte aber gut darauf verzichten.
CWH: Ihr Lieblingsessen?
SV: Spaghetti mit Tomatensoße.
CWH: Ihre Lieblingsstadt?
SV: Kopenhagen. Dort wohnt mein Sohn mit seiner Familie. Wir sind natürlich regelmäßig dort. Es ist eine so tolle Stadt, der Wahnsinn!
CWH: Meer oder Berge?
SV: Meer.
CWH: Welche Art von Humor?
SV: Ich denke, der intelligente, der britische Humor. Der „Dada-dada-Typ“ bin ich sicher nicht.
CWH: Sind Sie ordentlich?
SV: Nein, megachaotisch.
CWH: Gibt es neue Projekte?
SV: Ich fange bei „Käthe und ich“ an zu drehen. Ansonsten sind Projekte in Planung oder werden geschrieben. Konkretes kann ich aber noch nicht berichten.
CWH: Liebe Frau Vester, ganz herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Gesundheit und viele interessante neue Rollen mit besten Drehbüchern. Ganz besonders wünsche ich Ihnen aber, dass Sie und Ihr Mann schnell ein wunderschönes neues Zuhause finden – mit einem tollen Garten und vielen alten Obstbäumen!