Der Camptalk mit Schauspielerin Michaela May

Foto: Michaela May/während der Filmaufnahmen zu „Zum Glück zurück“

Michaela May: Sie hat uns mit ihrer großen Wandlungsfähigkeit in unzähligen Rollen begeistert. Ihr Spiel ist unverwechselbar, ihre Freude am Schauspiel groß. Das zeigt auch dieses Foto, das während der Dreharbeiten zu dem Fernsehfilm „Zum Glück zurück“ entstanden ist

In den 70er-Jahren spielte sie die Susi in „Münchner G’schichten“, in den 80er-Jahren verzauberte sie uns als Lilly im „Monaco Franze“ und in „Kir Royal“ war sie die Königin Katherina Patricia von Mandalia. Alle drei Serien haben längst Kultstatus erlangt und waren für Michaela May der Startschuss in eine großartige Schauspielkarriere, die bis heute andauert. Sie hat uns in unzähligen Fernsehfilmen begeistert – ob als Kriminalhauptkommissarin Jo Obermaier im „Polizeiruf110“ oder erst kürzlich als Luise Merlinger in dem ZDF Fernsehfilm „Zum Glück zurück“. Wir freuen uns sehr, dass sich Michaela May für uns Zeit genommen hat und wir mit ihr übers Campen, ihre Karriere und ihr soziales Engagement plaudern durften.

CWH: Frau May, haben Sie Campingerfahrung?
MM: Als meine Freunde und ich den Führerschein hatten, ging es mit dem Zelt an den Gardasee und in die Türkei. Das waren damals meine allerersten Campingerfahrungen. Wir wollten die Welt entdecken, erobern – und wir wollten unabhängig sein von Pensionen oder Hotels. Camping war die ideale Lösung.

CWH: Haben Sie damals denn auf Campingplätzen übernachtet?
MM: Am Gardasee haben wir unsere Zelte in einem Garten, der nicht verschlossen war, aufgeschlagen. Wir blieben einfach da stehen, wo es uns gefallen hat. Früher hatte man viel mehr Freiheiten beim Campen. Heute, wo Wildcampen zum Problem wird, ist das undenkbar.

CWH: Ich habe gelesen, dass Sie in jungen Jahren mit Freunden sogar quer durch Afrika gefahren sind.
MM: Ja, das ist richtig. Wir wollten etwas richtig Großes machen. Unsere Reiselust und Neugierde war riesig. Die Idee, nach Afrika zu reisen, kam von dem Brudermeines damaligen Freundes. Die beiden haben zwei alte VW-Busse ersteigert, wüstentauglich umgebaut und los ging es. Zu sechst waren wir fast ein halbes Jahr unterwegs, bis die Reise in Togo jäh beendet wurde. Einer unserer Busse blieb auf der Strecke, in den anderen wurde eingebrochen. Alle unsere Travellerschecks waren weg, das Aus für unser Abenteuer.

CWH: Ehrlich gesagt, klingt das alles schon etwas gefährlich und vor allem sehr mutig.
MM: Wir hatten keine Angst, wir haben es einfach gemacht. Wir waren voller Abenteuerlust, wollten weg von den Eltern und Tabus brechen. Auch dass wir während unserer Auszeit beruflich etwas verpassen könnten, war damals kein Thema. Wir haben uns einfach keine Sorgen gemacht und dachten: „Scheiß auf die Karriere.“ Heute stehen junge Menschen da beruflich leider sehr viel mehr unter Druck.

Foto: Janine Guldener

„ Ich möchte in der Gegenwart leben, nicht so sehr auf Vorsicht und Planung bedacht sein. Einfach schauen, was der Augenblick bringt – im Hier und Jetzt.“ Michaela May

CWH: Was hat die Familie zu Ihren abenteuerlichen Reiseplänen gesagt?
MM: Meine Mutter hatte schon Angst und Bedenken angemeldet, aber sie war eben auch sehr liberal und sagte: „Fahrt nur, ihr habt die Möglichkeit dazu, wir hatten sie damals nicht.“

CWH: Wie ging es weiter, als Sie wieder zurück in München waren?
MM: Ich hatte Glück. Bereits während unserer Reise hatte ich postlagernd eine Anfrage von einem Helmut Dietl bekommen. Ein Regisseur, den damals noch kaum jemand kannte. In Afrika hab ich das ignoriert. Dann aber, als ich früher als geplant zurück in München war, habe ich doch Kontakt mit ihm aufgenommen, ihn getroffen und bin für die Serie „Münchner G’schichten“ besetzt worden.

CWH: Diese Serie von Helmut Dietl hat dann quasi Schicksal für Ihre berufliche Zukunft gespielt.
MM: Ja, das war schon so. Schon verrückt, was diese Serie damals bei der Jugend ausgelöst hat. Sie hat ihnen aus der Seele gesprochen. Gerade in Bayern kannte man in Filmen fast nur das Krachlederne. Die „Münchner G’schichten“ waren da komplett anders. Helmut Dietl hat mit dieser Serie das neue Jugendbild gezeichnet und letztendlich auch geprägt. Die damalige Zeit war eine Zeit des Aufbruchs. Tscharlie, die Hauptfigur, gespielt von Gunther Maria Halmer, wurde zum Vorbild einer Generation. Seine Statements „ois Chicago“ „sowieso“ und „logisch” sind, auch außerhalb von Bayern, in den Sprachgebrauch eingegangen. Die Dreharbeiten waren dann auch die endgültige Entscheidung für mich, bei der Schauspielerei zu bleiben.

CWH: Seither haben Sie in unendlich vielen Filmen mitgespielt. Kürzlich lief im ZDF der Fernsehfilm „Zum Glück zurück“. Sie spielen eine Ehefrau, die auf der Suche nach dem Gefühl und dem Glück aus ihrem früheren Leben ist. In einer Szene steigen Sie und Ihr Filmehemann, ganz im Hippielook der 70er-Jahre gestylt, in einen Bulli und düsen davon. Wie viel Hippie steckt denn noch persönlich in Ihnen?
MM: Mein Drang nach Freiheit und Abenteuer ist bis heute geblieben. Deshalb ist das Reisen, neben der Schauspielerei, mein größtes Hobby. Ich höre auch auf meinen Bauch, tu das, wonach mir ist. Ich möchte in der Gegenwart leben, nicht so sehr auf Vorsicht und Planung bedacht sein. Einfachschauen, was der Augenblick bringt –im Hier und Jetzt.

CWH: Sie engagieren sich auch sehr im sozialen Bereich. Sie sind unteranderem Schutzengel der Mukoviszidose e.V. und sind für SOS Kinderdörfer aktiv, haben für Ihr Engagement die „Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste“ und den „Bayerischen Verdienstorden“ bekommen. Seit 2019 sind Sie gemeinsam mit Ihrem Schauspielkollegen Elmar Wepper Schirmherren von Retla e.V. (Alter rückwärtsgelesen), ein Verein, der sich um alte und einsame Menschen kümmert.
MM: Gegründet wurde der Verein noch vor Corona. Viele Aktionen warengeplant: Konzerte für Senioren, Rikschafahrten durch München und vieles mehr. Das geht gerade alles nicht, deshalb gibt es die Telefonengel. Ehrenamtliche nehmen sich im Telefongespräch Zeit für einsame alte Menschen. Ein tolles Objekt. Wir freuen uns über jeden, der Kontakt mit uns aufnimmt. Oft ist leider die Hemmschwelle groß, viele schämen sich auch dafür. Auf der Website www.retla.de findet man alle Informationen. Alte Menschen sind nicht sehr häufig im Internet unterwegs. Gerne würde ich auch in Ihrem Magazin die Telefonnummer kommunizieren.

CWH: Sehr gerne.
MM: 089 189 100 26

CWH: Wir haben in der aktuellen Ausgabe der CWH das Thema „Mit Handicap zum Campen“ aufgegriffen. Sind Sie auch der Meinung, dass es bei der Gleichberechtigung von Menschen mit einer Behinderung noch hapert?
MM: Ja, auf jeden Fall. Man muss den Menschen endlich die Chance geben, mit uns gleichgestellt zu sein. Die Hemmschwelle ist bei vielen Menschen immer noch groß. Auch wenn es schrecklich klingt, denke ich, dass sich viele in ihrer Perfektion gestört fühlen, wenn sie mit einem Behinderten oder mit Leid konfrontiert werden. Das steckt irgend wie tief in den Menschen drin. Ich habe in der Polizeiruf 110-Folge „Rosies Baby“ mit Juliana Götze gedreht. Sie hat Trisomie 21, das Downsyndrom. Ein ganz tolles Mädchen mit unglaublich viel Talent, eine richtige Begabung mit sehr viel Einfühlungsvermögen. Menschen mit diesem Gendefekt haben sehr viel mehr Körperlichkeit als wir, sie sind offen und zugewandt. Von ihnen können wir so einiges lernen.

CWH: Haben Ihre beiden Töchter den sozialen Blick von Ihnen geerbt?
MM: Meine Kinder waren zwei Jahre in England auf der Schule. Dort hatten sie ein unterrichtsbegleitendes Programm. Zwei Jahre lang haben sie mit ihren Klassen regelmäßig Zeit in einem Altersheim, in einem Kinderkrankenhaus oder einem Waisenhaus verbracht. Das war sehr prägend für sie und sie konnten ein viel besseres Verständnis entwickeln, haben einen weiteren Radius dafür bekommen, was im Leben wirklich wichtig ist. Grabenkämpfe und Mobbing gab es fortan in ihren Klassen sehr viel weniger. Dafür mehr Hilfsbereitschaft und Akzeptanz, mehr Normalität, weniger Anomalie.

CWH: Haben Ihnen Ihre unterschiedlichen Rollen, die vielen verschiedenen Charaktere, die Sie gespielt haben, einen offeneren und weiteren Blickwinkel auf die Menschen und das Leben geschenkt?
MM: Ja, bestimmt. Man verändert seine Sichtweise schon, wenn man hinter die Kulissen schauen kann. Ich könnte Ihnen viele Beispiele dafür nennen. In den zehn Jahren als Hauptkommissarin beim Polizeiruf 110 habe ich zum Beispiel eine andere Wahrnehmung für die Polizei bekommen. Früher habe ich eher auf sie geschimpft, mich über Knöllchen wahnsinnig aufgeregt. Heute weiß ich, dass die Polizei eine enorme Verantwortung hat und sich auch immer wieder in Lebensgefahr begeben muss. Oder ein anderes Beispiel. Ich habe einmal eine Bedienung gespielt und musste mit zehn gefüllten Masskrügen durch den Biergarten laufen. Drei Tage habe ich in einem Biergarten gearbeitet, um das zulernen. Das war echte Schwerarbeit.

CWH: Bitte noch zwei kleine letzte Abschluss fragen zum Campen. Käme diese Urlaubsform heute noch für Sie in Frage?
MM: Natürlich ist Campen, gerade in der aktuellen Coronazeit, ein großes Thema. Ich fliege im Augenblick nicht gerne, das wären mir zu viele Menschen in einem engen Raum. Individualreisen erleben sicher gerade einen enormen Aufschwung. Es gibt ganz wunderbare Campingplätze. Ich bin kein Hotelmensch, ich miete lieber ein Haus, weil ich Platz brauche, da ich gerne meine Familie oder Freunde dabeihabe. Ein Urlaub in einem Caravan ist ehrlich gesagt nichts für mich, das wäre mir zu eng. Vielleicht ist das aber auch nur
eine Altersfrage. (lacht)

CWH: Welche Aktivitäten oder Sportangebote würden Sie sich – ganz theoretisch gefragt – auf einem Campingplatz wünschen?
MM: Boule spielen fände ich ganz gut, natürlich Yoga und Segeln könnte ich mir auch sehr gut vorstellen.

Liebe Michaela May, herzlichen Dank für das wunderbare und interessante Interview, es hat sehr viel Spaß gemacht. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie alles Gute, viel Erfolg für Ihre Projekte und jede Menge tolle neue Rollen! Bleiben Sie gesund!
Das Interview führte Chefredakteurin Karin Werner